Ein bisschen was vom Bau

Die Videos / Texte, die wir hier zeigen, haben keine bestimmte Reihenfolge. Sie tauchen einfach auf und ihr habt vielleicht ein bisschen Spaß damit 😉

Das Video ist bei der Haussanierung entstanden, als das Fachwerk bearbeitet wurde.

Vom Buch, das wir schreiben, gibt es auch bald wieder was.

Tel.: 0176 / 48 33 29 16
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Das Haus ist schräge, der Dachstuhl gerade

Dann wird es brutal. Unser Architekt hat uns schon vorgewarnt, aber jetzt, wo es passiert, ist es viel heftiger. Der Dachstuhl, wie er war, kann so nicht bleiben. Er muss für die gewerblich Nutzung als Ferienwohnung verstärkt werden. Es wird also ein neuer Dachstuhl über den alten gebaut. Das Haus wächst somit um ungefähr eineinhalb Meter. Des Weiteren wird die Neigung ausgeglichen. Das Haus ist im Laufe der Jahrhunderte an der westlichen Seite um 60 Zentimeter abgesackt. Eigentlich kein Wunder. Denn so ein Haus ist früher nicht auf einem festen Betonfundament gebaut wurden. Es gab lediglich ein partielles Feldsteinfundament. Das heißt, dass die Höftständer, die Hauptständer des Bauernhauses, die das gesamte Gewicht des Hauses tragen, auf Feldsteine gesetzt wurden. So entsteht eine gewisse Festigkeit. Das Haus ist zwar abgesackt, aber es hat nichts seiner Stabilität an sich eingebüßt. Es würde ewig so dastehen. Die ältesten Häuser, die baugleich zu unserem sind, stehen seit fast 500 Jahren in der Region. Holz arbeitet. Richtig verbaut und richtig gepflegt (heißt eigentlich nur, dass es trocken bleibt), hält Holz im wahrsten Sinne des Wortes ewig. Häuser in der heutigen Zeit können davon nur träumen.

Bevor der neue Dachstuhl auf das Haus gebaut werden kann, wird die Lattung abgenommen, sodass am Ende nur noch die Sparren erhalten bleiben. Außerdem werden alle alten und morschen Bohlen vom Dachboden herausgenommen und im Garten gesammelt. Der Berg, der sich über die Tage anhäuft und fast die gesamte Wiese neben dem Haus bedeckt, sollte viele Monate dort liegen bleiben. Kann sich kein Mensch vorstellen.

Anschließend werden mit einem Kran durch die Sparren hindurch Stahlträger an den Hauptträgerbalken des Dachbodens befestigt. Sie haben den Zweck, dem Haus eine neue Steifigkeit zu geben und die Neigung durch das Absacken auszugleichen. Auf diese neu entstandene Balkenlage werden gigantische Leimbinder-Holzbalken eingezogen. Sie bilden jetzt den neuen Boden vom Dachboden, auf dem der Dachstuhl aufgebaut werden kann.


Die Außenwände

Der haut den da rein!

Der Vorschlaghammer, ein Planet. Das Ding ist so riesig, dass ich den wahrscheinlich nicht mal einen Zentimeter vom Boden hochheben könnte, und der Zimmerer hebt den immer wieder hoch. Der hebt den nicht nur hoch, der schwingt den auch noch und schlägt damit. Der schlägt den Fachwerkbalken minutenlang – das waren bestimmt Stunden – da rein. Ein quer liegender Brüstungsriegel.

Der legt das schwere Vierkantholz aus massiver Eiche schräg zwischen zwei senkrecht stehende Pfosten. Auf der einen Seite steckt er den Zapfen in den Schlitz, auf der anderen Seite muss er mit dem Hammer so lange auf den Riegel schlagen, bis er waagerecht – also 90 Grad zum Pfosten – liegt.

Er schlägt und schlägt und schlägt. Doch der Riegel bewegt sich kein Stück. Ich guck da ganz genau hin. Da bewegt sich nichts. Minutenlang schlägt der da mit diesem gigantischen Hammer drauf. Dass der das Holz auch immer trifft. Profis, wahnsinn.

Dann erkenne ich ein leichtes Vorankommen. Ein halber Zentimeter in fünf Minuten bestimmt. Aber da fehlen noch mindestens zwanzig Zentimeter. Das heißt, der bräuchte, rein theoretisch, noch über drei Stunden.

Am Ende geht es doch schneller und der Balken ist schließlich an seiner Position. Ein Meisterstück. Kunst. Eine quasi archaische Erfahrung, ein Bild, das ich nie vergessen haben. Auch nach Jahren nicht. Denn Häuser werden schon seit Jahrhunderten, vielleicht sogar noch länger, genau so gebaut. Man vereint sich mit der Geschichte, man ist ein Teil des Ganzen, einfach nur, weil ein Mann mit reiner Muskelkraft einen Balken in einen anderen Geschlagen hat. So einfach ist das. Er erschafft damit so viel mehr als tausende Menschen an ihren tausenden Computern und Handys und sonstwas zusammen.

Es geht jetzt also an die Außenwände. Diese bedürfen auch einer ganz besonderen Aufmerksamkeit. Denn dort, wo die Fachwerkbalken nicht mehr zu retten sind – also zu morsch, weil sie Jahre in der Nässe waren und nicht gleich Ausbesserung geschaffen wurde – müssen die Gefache, das Mauerwerk zwischen den Holzbalken, herausgebrochen werden. Anschließend werden mit speziellen Holzkonstruktionen die freien noch gut erhaltenen Balken abgestützt. Wir haben also permanent Tag der offenen Tür.

Und Tag des offenen Denkmals. Dieser Tag, der von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz organisiert wird, ist für alle enthusiastischen Denkmalbesitzer ein Muss. An diesem Tag kommen Interessenten und können sich das Denkmal anschauen. Auch wir nehmen Teil und sind begeistert, wie viele Menschen sich für unser Haus interessieren.

Freunde kommen vorbei, Bekannte und Unbekannte, Nachbarn und Nachbarn, die sogar in dem Haus geboren wurden. Sie erzählen uns viele schöne Geschichten. Sie erzählen von Lisa Voss, der letzten Verkäuferin in dem kleinen Krämerladen im Haus, und dass es da die besten Lakritzschnecken gab. Sie erzählen uns von unseren Mühlsteinen im Boden vor den Eingangstüren, dass auf dem Hof immer gebacken wurde und eine enge Zusammenarbeit mit der Altengammer Mühle ein paar hundert Meter weiter am Deich bestand. Ein normaler Bauer hätte sonst keine Mühlsteine am Haus. Und sie erzählten von Schlauchbootwettkämpfen im Elbarm vor unserem Haus der Freiwilligen Feuerwehren, von “Franz sin Franz sin Franz” – über Generationen hinweg hießen die ältesten Söhne der Familie Franz, und man sprach natürlich Platt –, und von der Geschichte mit dem Pferd in unserem Wohnzimmer. Zur Erntezeit, wenn die Heuwagen in die alte Diele fuhren und entladen wurden, musste das Pferd durch das Wohnzimmer nach draußen laufen, weil zum Wenden der Platz in der Diele nicht ganz reichte.